Das weiße Blatt

Das weiße Blatt liegt auf dem Tisch, es ruht nichts ahnend vor sich hin.

Es ist ein stinknormaler Wisch, ein Füller beugt sich über ihn.

Der kalte Schatten einer Hand markiert leicht zitternd sein Revier. 

Ein Blick liegt brach auf blankem Samt, die Tinte wittert das Papier.

Es ist ganz weiß, es ist ganz glatt, s ist ein unbeschrieb’nes Blatt.

Was wird aus ihm? Ein Liebesbrief, ein Schießbefehl, ein Plädoyer,

Eine Verheißung, ein Pamphlet? Das Blatt macht sich draus keinen Hehl.

Geht’s auch in die Geschichte ein, verglimmt als Asche im Kamin… 

Um eines kommt es nicht umhin – das Blatt wird „weiß gewesen sein.“

Noch ist’s ganz weiß, noch ist’s ganz glatt, noch ist’s ein unbeschriebenes Blatt.

War’s noch so rein und ohne Fleck, wird’s doch ein „Schein“ zum reinen Zweck.

Für den Gehalt trägt’s keine Schuld, verstummt in Gleichmut und Geduld.

Ein Blatt kann nicht um Hilfe schrei’n. Gib Acht! Gleich sticht die Feder ein!

Ins wunde Weiß rinnt dunkles Gift, die blaue Blutspur wird zur Schrift.